GALERIE DÖBELE

AUSSTELLUNGEN

 

14.06. - 01.08.1998

JOSEPH HEGENBARTH (1884-1962) und HELMUT SCHMIDT-KIRSTEIN (1909-1985)

Diese Ausstellung ist ein Beitrag der Galerie Döbele zu den Feierlichleiten anläßlich des hundertsten Geburtstages des Künstlerhauses Dresden-Loschwitz

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06.09. - 17.10.1998

WILHELM RUDOLPH

Eröffnung am Sonntag, 06.09.1998, 11 Uhr

 

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TEXTE ZUR AKTUELLEN AUSSTELLUNG

 

Mitteilung für Presse, Museen, Sammler   JOSEF HEGENBARTH    HELMUT SCHMIDT-KIRSTEIN

 

JOSEF HEGENBARTH (1884-1962)

Ölbilder, Leimfarben-Blätter, Aquarelle, Druckgraphik, Mappenwerke

14. Juni 1998 bis 1. August l998; Eröffnung am 14. Juni 1998, 11 Uhr

Josef Hegenbarth gehört zu den hervorragendsten Zeichnern in der Kunst des 20. Jahrhunderts. In der Auseinandersetzung mit der Realität ist er ein präziser Beobachter und genauer Schilderer der Menschen- und Dingwelt und so gelingt es ihm Wahrhaftigkeit in der künstlerischen Darstellung zu erreichen. Sein Werk wirkt heute noch so unmittelbar und frisch auf uns wie in der Zeit seiner Entstehung.

Unsere Galerie beschäftigt sich seit 1979 mit Dresdner Kunst und hat seitdem Josef Hegenbarth im Programm, aber erst jetzt können wir den Dresdner Künstler wirklich prominent vorführen.

Nach der Krieg, als sich die Spaltung Deutschlands immer mehr verfestigte, der freie Austausch von Kunst und Künstlern zunehmend behindert wurde, gelang es Hegenbarth in Absprache mit dem Klingspor-Museum und Hans Adolf Halbey einen festen Bestand von wichtigen Werken in Offenbach zu versammeln und zu stationieren, um einen ständigen Fundus für Ausstellungszwecke auch in der Bundesrepublik verfügbar zu haben. Und diese Sammlung wurde auch nach dem Tode des Künstlers von seiner Frau sorgfältig gehütet, galt als unantastbar, war Grundlage vieler Präsentationen in Westdeutschland Erst nach 1989, nach dem Tode von Johanna Hegenbarth, gelangten einige Arbeiten durch testamentarische Verfügung in Privatbesitz. Davon kann unsere Ausstellung zehn große Blätter zeigen.

Eine hervorragende Werkgruppe daraus sind die Köpfe, wie Hegenbarth seine eindringlichen Menschenstudien nannte. Und obwohl er fast nie porträtiert hat - eine Zeichnung Pan Walthers in der Ausstellung im Kupferstichkabinett im vergangenen Jahr bleibtdie Ausnahme - gelingt es Hegenbarth, das Besondere des menschlichen Gesichtes erkennbar zu machen und in seinen Köpfen so etwas wie eine "Typologie des Deutschen" zu entwickeln, besonders mit diesem Sujet aber auch einen "festen Platz in der deutschen Kunstgeschichte" zu behaupten (Dieter Honisch).

Daneben zeigt die Ausstellung andere wesentliche Themen: Tiere, Bären und Katzen, Geier und Störche, und die Szenen des realen Lebens, die Hegenbarth auf Trümmerhalden und in Parkanlagen, auf Spielplätzen und in Restaurants, im Luftbad, auf der Straße und im Zirkus registrierte und protokollierte. Dabei ist Dresden in hoher Maße präsent: "Am Postplatz", "Trümmerarbeiter", "An der Straßenbahn" lauten einige Titel.

Wichtige Werke wie ćEilende" 1953, die Will Grohmann als Blickfang für das Gedenkbuch der Berliner Akademie der Künste zum 75. Geburtstag Hegenbarths wählte, sind ebenso vertreten wie Zeichnungen für "Jugend" und "Simplizissimus" (Rabe und Esel) aus den 3Oer Jahren. Auf die mehrfache Beteiligung an den Veröffentlichungen der Hamburger Griffelkunst weisen zwei Zeichnungen zu den Editionen von 1953 hin.

Unsere Ausstellung zeigt nicht nur fast die gesamte Spannbreite seiner Themen sondern kann auch Beispiele für die verschiedenen Epochen seiner Kunst vorführen, von Illustrationen der 1920er Jahre (Türkenschlacht und Morgengesang - beides Aquarelle) über Ölgemälde der 20er und 30er Jahre bis zu späten Aktdarstellungen und Faschingsfiguren, und macht damit zumindest den Versuch, den Dresdner Künstler repräsentativ vorzustellen.

Anlass für für unsere Ausstallung war nicht nur die Erwerbung von 60 Werken Hegenbarths; wir möchten mit dieser Ausstellung auch den 100. Geburtstag des Künstlerhauses in Dresden-Loschwitz würdigen, wo Hegenbarth zeitweise sein Atelier inne hatte.

Parallel zu HEGENBARTH zeigen wir noch Werke von HELMUT SCHMIDT-KIRSTEIN (1909-1985), der gleichfalls bis zu seinem Tode im Künstlerhaus wohnte.

Dresden, 20.05.1998.

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JOSEPH HEGENBARTH

Josef Hegenbarth (1884-1962) hat zweimal Beweise seiner Sonderstellung in der Dresdner Kunst des 20. Jahrhunderts gegeben: Der erste war zur Zeit der Weimarer Republik das Erscheinen einer Monographie (Johannes Reichelt, Essen 1925), der zweite war seine Präsenz im Westen zu DDR-Zeiten - Hegenbarth hatte in den alten Bundesländern die meisten Ausstellungen, die ein ćOst-Künstler" haben konnte. Nach seinen Tode verknappte die Errichtung des Hegenbarth-Archivs mit dem Nachlaß die Zirkulation auf dem Kunstmarkt. Auch anderen Orts wurde sein Werk in Museumsbesitz gebunden, so in der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle an der Saale. Nach der beeindruckenden Hegenbarth-Ausstellung jenes Museums, 1996, die ein halbes Tausend kostbare Blätter dokumentierte, dürfte erstmals unsere Ausstellung als die einer privaten Kunsthandelsgalerie in vergleichbarer Qualität erneut die Aufmerksamkeit auf diesen großen Zeichner lenken.

Dem Dresdner aus Böhmen ist es unbestreitbar gelungen, das verpönte Anekdotische für die Moderne purgiert und nobiliert zu haben, eine Tat, die er mit keinem Geringeren als Marc Chagall teilt, auf andere Weise in Dresden mit Hans Körnig und in Karlsruhe mit Karl Hubbuch. Die Groteske der Alltagsbeobachtung im Kaffeehaus und auf der Straße, die karikierende Poesie machen solches Genre zu einem ästhetischen Genuß, ohne den die Kunstgeschichte der Moderne viel ärmer wäre. Nicht von ungefähr zeichnete Hegenbarth für den Münchner "Simplizissimus". Er zeichnete immer und überall: er griff "hinein ins volle Menschenleben", und wo ers packte, war es interessant, um faustisch zu reden. Als Professor an der Dresdner Kunsthochschule regte er seine Studenten beispielhaft an, draußen in der bewegten Szene zu zeichnen, im Bahnhof, im Freibad an der Haltestelle ... Aber er, der selbst nie die strenge Richard-Müller-Schule erdulden mußte, verlangte auch von ihnen, daß sie akademisch nach Gipsmodellen zeichnen könnten.

Er sah keine Tiermenschen à la Grandville, das Tier bleibt Tier. Er machte kaum Porträts, sondern anonyme Typen, Charakterköpfe, wie es schon Leonardo gereizt hat. Der altdeutsch intendierten Zeichnung der zwanziger, dreißiger, vierziger Jahre gesellte sich Medidativ-Ostasiatisches bei, angeregt vielleicht im Dresdner Kunstgewerbemuseum, das eine der besten Sammlungen japanischer Graphik besitzt. In den fünfziger Jahren wird der realistische Kopf zeitgemäß abstrahiert, gleichsam zu einem prismatischen Liniengerüst. Josef Hegenbarth war asketisch und sinnlich, seine Aktzeichnungen sind von muskulöser, geradezu bildhauerischer Erotik. Der Zirkus bot dem Künstler die Möglichkeit zur Kunstfigur, der artistischen Verwandlung des menschlichen Körpers. Als Illustrator verleibte sich der Zeichner eine hervorragender Kenntnis der Literaturen vieler Länder und Epochen ein: Realitäten und Märchen, auch grausam blutige Mythen. Er war zuhause im Nibelungenlied mit Siegfried und Hagen, in der Türkenschlacht mit dem Prinzen Eugen, in den Abenteuern des Don Quijote, den Lügengeschichten des Barons Münchhausen. Dem Ingenium des Illustrierenden ist es gegeben, auch Unwirkliches glaubhaft zu machen. Hegenbarth war durchaus dem realistischen französischen Schriftsteller Flaubert verwandt und vermochte sich wie dieser - mit Salambo - auch in die Welt des orientalischen Altertums zu versetzen und diese ferne Vergangenheit realistisch zu definieren.

Als Mensch war Hegenbarth kollegial und hilfsbereit. Er kannte seinen hohen Wert und blieb dennoch bescheiden. In den zwanziger Jahren zog er vom Loschwitzer Künstlerhaus ins eigene, ein Landhaus auf der Calberlastraße; sein täglicher Spazierweg, der am Künstlerhaus vorbeiführte, ist nach ihm benannt.

Unsere Ausstellung, mit der an das hundertjährige Bestehen des Künstlerhauses und seine prominenten Bewohner erinnert wird, zeigt sechzig Werke, Ölbilder, Leimfarbenblätter, Pinselzeichnungen, Radierungen und Mappenwerke, jüngst erworben aus einer privaten Sammlung. Es liegt ein ein gedrucktes Ausstellungsverzeichnis vor, in welchem Literatur- und Ausstellungsnachweise der jeweiligen Werke dokumentiert sind. Das allein schon verdeutlicht den Rang dieser Kollektion.

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HELMUT SCHMIDT-KIRSTEIN

Nominell könnte Helmut Schmidt-Kirstein (1909-1985) als Enkelschüler von Gotthardt Kuehl gelten, weil er Schüler von dessen Schüler Fritz Beckert war. Wenn es darauf ankäme, würde man gewahr, das mehr der geistige "Großvater" durchschlägt, denn Beckert malte zwar Dresden dankenswert topographisch genau, aber kaum spirituell. Die frühesten Dresdner Ansichten Schmidt-Kirsteins kurz vor Kriegsende aber hatten schon etwas "Französisches", Duftiges, analog der von Karl Krolow in der Lyrik gepriesenen "literarischen Leichtigkeit", dabei das Gegenteil literarischer Malerei, doch ernsthafter als der gern frivolisierende Leipziger Max Schwimmer. Prägende Jugendeindrücke empfing Schmidt-Kirstein in Zwickau vom Expressionismus Max Pechsteins. Als Soldat unfreiwillig in Italien eingesetzt, fand er als Künstler zu einer neuen Italianità, mit der er gern spielte, gar bis zuletzt in Erinnerungen - durchaus eine Seite Dresdner Kultur seit Chiaveri und Bellotto.

"Überströmende Sinnlichkeit" rühmte Fritz Löffler ihm 1947 nach; er wurde 76 Jahre alt und ließ es bis zuletzt an überströmender Sinnlochkeit nicht mangeln, gleichwohl er sich nun den Eros imaginieren mußte - mit Frauen aller Couleur, in Zeichnungen, Aquarellen und Lithographien. Auch verwandelte er die wenigen schönen Dinge, die es auf dem Terrain der DDR zu kaufen gab, ein paar Blumen, Früchte, Fische, zu desideraten Kostbarkeiten per Malerei.

Schmidt-Kirstein war nach 1945 ein Mann der ersten Stunde, als er mit Edmund Kesting, Hermann Glöckner und anderen in der Künstlergruppe "der ruf" hervortrat. Zeitig zeigte sich für ihn Anerkennung im Westen, als er 1948 bei Anja Bremer in Berlin ausstellte; Edwin Redslob und Georg Zivier schrieben über ihn, aber er ließ den Success hängen. Bei der ersten Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung Dresden 1946 galt des Jurors Carl Hofer besondere Aufmerksamkeit den damals von anderen neidisch angefeindeten Erhard Hippold und Helmut Schmidt-Kirstein. Josef Hegenbarth liebte an dem eine Generation Jüngeren das ihm verwandte "Musikantische" und bestimmte eine Summe seines ihm zugefallenen Nationalpreises zum Ankauf einer Arbeit für das Dresdner Kupferstich-Kabinett.

Hans-Ulrich Lehmann, Kustos jenes Hauses, beschrieb später ein Aquarell von 1971: "Die spontane Handschrift, die fast zum Zeichen wird, bedeckt in großzügigen Linien das Blatt. Die Zeichnung schafft damit einen Kontrapunkt zum darüberliegenden Aquarell, bei dem die verhaltenen Farben schnell mit dem Pinsel auf das Papier gebracht werden, ohne an den Gegenstand gebunden zu sein. Der Künstler war unsentimental, aber nicht frei von moderater Melancholie: mozartisch. Seine liegende Sträuße korrespondieren mit den namenlosen Flecken vorangegangener Studien des Informel, die er wieder aufgeben wollte um der allgegenwärtigen Natur willen.

Schmidt-Kirstein war eng mit Albert Wiegand befreundet; eine Zeitlang bevor er Mitte der fünfziger Jahre ins Dresdner Künstlerhaus zog, wohnten sie beieinander in Dresden-Plauen, unweit der Bienert-Mühle. Beide alternierten "gegenständlich" und "gegenstandsfrei". Im Gegenständlichen wie im Gegenstandsfreien interessierten Schmidt-Kirstein "Strukturen", ein Feld, das vor ihm zwei aus Dresden stammende Häupter der Ecole de Paris bestellt hatten: Hartung und Wols. Seinerseits sind vor allem seine bildhaft großformatigen Monotypien der fünfziger, seine vergitternden Aquarelle der sechziger Jahre nicht ohne starken Einfluß auf spätere Generationen in Dresden geblieben. Der frühere Direktor der Graphischen Sammlung / Staatsgalerie Stuttgart, Gunther Thiem, hob in dem Katalog unserer Galerie zur Ausstellung "Dresdner Meister" 1992 Schmidt-Kirsteins in Dresden selbst noch immer zu wenig erkannte Pionierleistung hervor.

Die Galerie Döbele, damals in Ravensburg, setzt sich seit fast zwei Jahrzehnten für Helmut Schmidt-Kirstein ein und dokumentierte ihn in drei Katalogen und einer Monographie.

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KÜNSTLER DER GALERIE

 

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