leipzigart  KUNSTJOURNAL


Frank Eckhardt
Reflexe
Grafik - Installation - Objekte

Zu den interessantesten sächsischen Künstlern zählt Frank Eckhardt, der 1959 in Dresden geboren wurde.

Nachdem wir bereits kürzlich eine große Werkschau Eckhardts mit neueren Arbeiten im Dresdner Leonhardi-Museum und in der Leipziger Globus Galerie besuchen konnten, gibt es jetzt bis zum 23. August gleich noch einmal eine imponierende Präsentation mit Objekten, Installationen, Grafiken...


Frank Eckhardt: Objekte in der Skulpturensammlung,

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung, Albertinum, Georg-Treu-Platz 2, bis 23. August 2000

Arbeiten von und Informationen über Frank Eckhardt erhalten sie bei der GLOBUS GALERIE (Leipzig/Berlin)

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Susanne Altmann

Reflexe ARBEITEN VON FRANK ECKHARDT IN DER SKULPTURENSAMMLUNG DRESDEN

Am Anfang waren die Mumien. Tatsächlich säumten die beiden spätantiken Kostbarkeiten für Frank Eckhardt den unmittelbaren Zugang zur Dresdner Skulpturensammlung. 1988 wurden die bandagierten Leichname eines Mannes und einer Frau in einem Dresdner Klinikum geröntgt. Unerwartet, als wahrhafte obiets trouvees fügten sich die dabei entstandenen Aufnahmen in Werkideen. Sie wurden bereits 1991 als originalgroße Wand-Siebdrucke in eine Rauminstallation integriert. Danach tauchten die Röntgenbilder erneut auf, nun in Kombination mit einer handschrihlichen Anverwundlung des »Tibetanischen Totenbuches Bardo Thödol«. Und so nimmt es auch nicht wunder, dass in der 8. Studioausstellung dieses Buchobjekt endlich zu einem seiner Ursprünge zurückgeführt und neben den Toten von Saqqara gezeigt wird. Während sich kalligrafische und grafische Blöcke eher unruhig über die Buchseiten ziehen, bilden transparente Knochenfragmente, die kaum noch an physiopathologische Kontexte erinnern, eine Ebene von ruhiger, fast lundschahlicher Schönheit. Dies trifft sicherlich auf die doppelt ausfaltbare Mittelseite des Werkes zu, in der das Skelett in ganzer Länge und Fragilität sichtbar wird; beinahe noch mehr auf Details wie solche von Wirbel- oder Beinknochen .

Nun mögen Röntgenstrahlen und ihre Abbildungsqualitäten auf Technologie-Expiosionen des positivistisch empfindenden Zeitalters verweisen und bildender Kunst als Zitate eine partiell technikgeschichtliche Färbung verleihen. Doch verlieren gerade konkrete zeitliche Zuordnungen in Frank Eckhardts Werken ihre Bedeutung. Daher waren die universslen, die auratischen Qualitäten dieser Bilder, eine spurenhohe Lineatur von Vergänglichkeit, ungleich bedeutungsvoller für ihn.
In der grafischen Umsetzung transzendiert sich die Symbolhaftigkeit der Vorlogen, gemeinsam mit rhythmischen, nur bedingt lesbaren Zeichen, ins Enigmatische. Positivaufnahmen werden bisweilen durch leichte Verzerrungen verfremdet; fließende Konturen und Opazitst bleiben weitgehend gewahrt.

Die Zerbrechlichkeit der Gliedmassen übertrugt sich auf die Fragilität der Zeichen und umgekehrt.
Jene Wechselwirkung von vorgefundenen und entwickelten Bildelementen kommt im Zyklus »Reflexe« einmal mehr zum Trugen, zumal die bewussten menschlichen Gliedmassen in skulpturaler Übersetzung von Interesse bleiben. In seiner Version des »Bardo Thödol« setzte Frank Eckhardt rituelle Charakteristika des Totenkultes zweier sehr unterschiedlicher Kulturen zueinander. Auch dieses inhaltliche Kontrastprogramm der Missachtung zeitlicher, territorialer und korporaler Zusammenhänge wird durch die Methode der »combined images« bis zu den jüngsten Arbeiten verfolgt. Hier werden wiederum collagenhaft Versatzstücke: Bild- und Textzitate, Reproduktionen und natürlich zeichnerische sowie malerische Neuschöpfungen versammelt.
Augenfällig sind Inspirationen durch den Ausstellungsort die Skulpturensammlung. Eckhardt hat sich der Hersusfordeb rung gestellt, mit „ReflexeD eine situationsspezifische Arbeit zu realisieren. Nun ist der Künstler weder Bildhauer noch vorrangig Installationskünstler und steht zu seinen malerischen und grafischen Vorlieben. Dennoch haben seine Bildlösungen schon lange die Sicherheit der Wand verlassen und geben sich häufig objekthah.

Fotografische Details aus der Sammlung erscheinen wie Erinnerungsfetzen auf den Bildträgern - den Walzen, Papierbahnen, Bildtafeln. In Abbildungszitaten wiederholen sich Werke aus der Sammlung: das Athena-Köpfchen von Myron, die Athena Lemnia des Phidias, der Torso des ausruhenden Herkules, der Porträtkopf des Marc Aurel und diverse Ansichten des Gesamtraumes. Neben Zitaten aus der Kollektion enthalten die vielschichtigen Arbeiten Eckhardts allerdings zahlreiche Verweise auf ähnlich prominente Antiken zwischen Istambul, Ankara, Florenz und Neapel. Einerseits lassen sich derlei Elemente als kontextuelle Einordung in geschichtliche, archäologische und museale Zusammenhänge deuten. Doch andererseits dienen gerade sie dazu, das Allgemeine im Besonderen - das Universelle gerade in der Anhäufung von individuellen Kunstwerken zu markieren: Die Ordnung der Figuren ist Abfolge, Verwandlung oder Ausschnitt aus einer als unendlich denkbaren Reihe (Frank Eckhardt). Sie sind Produkte unablässigen, schaffenden Strebens - genauso wie die skriptural umgesetzten Handlungsanweisungen der Mystiker für ebenjenes Walten.

In der Versunkenheit der Handlung verblasst endlich die Frage nach dem Sinn des Ganzen.
In einer der Bildtafeln aus dem Zyklus »Reflexe« wird der Gedanke des Akkumulierens weitergeführt - durch eine sich wiederholende Regalreihe von Porträtköpfen. In der Sequenz geht die Einzelform verloren; was angelegentlich der Enstehung höchste Priorität besaß, verschwindet im Ornament. Frank Eckhardt beschreibt ein gängiges Los und formuliert damit fast anachronistische Fragen neu.
Sein diskreter Anspruch von Sensibilisierung erstreckt sich weiterhin auf Elemente von Sammlungen, die flüchtigem Sehverhalten und visuellem Sensationsdrang zum Opfer fallen. So isoliert er in fotografischer Verkleinerung Füße von antiken Standfiguren und setzt sie in Sequenzen zueinander. Dies könnte exemplarisch dazu verleiten, die Figuren der beiden Herkulanerinnen einmal eingehender zu betrachten: die Ausarbeitung von Fußspitze und Sandale bzw. deren Abwesenheit zu entdecken.
Zusätzlich verlagert sich die Interpretation ins durchaus Zeitgenössische, wenn man die obsessive Beschuhigung mit Fragmenten des menschlichen Körpers in der Kunst des ausgehenden 20. Jahrhunderts in Betracht zieht (Robert Gober, Cindy Sherman, Bruce Nauman u.v.a.). Die Entfremdung des Körpers von alltäglichen Abläufen, die Übernahme zahlreicher Funktionen durch Technologie wirkte begünstigend auf das solchermaßen thematisierte Körpergefühl von Fragmentation. Frank Eckhardt bedient sich der antiken Bruchstücke bzw. ihrer Reproduktionen gleichsam als Reudy- mades. Er übersetzt damit die bekannte Problematik nicht ohne Ironie ins Unzeitgemäße zurück und läßt die Möglichkeit offen, aus jenen Einzelteilen (Füße, Köpfe, Torsi...) Hybride zu konstruieren, die das aktuelle Dilemma genauso anschzulich illustrieren wie die o.g. Findungen bildender Kunst. Bereits im »Tibetanischen Totenbuch« klingt ein verhaltener Bezug zu Körperempfindung an: durch die Kombination des extrem körperbezogenen Jenseitskults im Alten Ägypten mit dem spirituell determinierten des Buddhismus.

Eine weitere, spannungsvolle Paarung von historisierenden Bestandteilen mit einem Gegenwartsanspruch findet sich in den drei »Drehsäulen«. Rein formal könnten sie gar als Referenz zum Raum verstanden werden, nehmen sie doch in ihrer Reihung deutlich Bezug auf die Rundpfeiler, die das Gewölbe tragen. Dies ist ein glücklicher Teilaspekt des Arrangements. Mit Sockeln versehen und von nschvollziehbarem menschlichen Maß, fügen sie sich zu den Figuren In ihrer Farbigkeit jedoch - eine verhältnismäßige Neuheit im Werk Eckhardts - heben sie sich bewusst von der noblen Monochromie der Halle ab. Mit der Farbgebung bricht Realität in die edlen Räume der Kunst ein. Eckhardts signulhahe, punktuelle Setzungen sind im Wortsinne Reflex auf die Verstümmelungen und Zerstörungen der Skulpturen wie auch auf die des Menschen...Eine nonchalante Traurigkeit herrscht in der Figuration der Halle. Diese ist wunderbar, soll aber auf den Blättern nicht zur Schönheitgerinnen (F.E.).
Die Stelen rotieren sehr langsam und verweisen damit auf ihre Existenz ausserhalb gängiger Zeiterfahrung. Gewiss gemahnen sie zunächst an ganz vertraute Formen der Werbeästhetik. Doch stehen jene Informationen, die sich auf den Rollen (und auch auf den Streifen des »Fünfbänderobiektes«) ballen, in keinerlei Verhältnis zu den visuellen und verbalen Kürzeln, die sich gemeinhin von mobilen Werbeträgern mitteilen. Verbindlicher Zeitbezug wird in diesen Kompositionen aus unterschiedlichsten Zeitgegenden ausgeschaltet: Interferenzen setzen Paradigmen außer Kraft.
Die »Pikto-Grammatik« sowohl der Bildsäulen als auch der Tafeln und Zeichnungen von »Reflexe« ist, wenn überhaupt, im Detail zu suchen - in den nimmermüden Anstrengungen menschlicher Weisheit, seien sie kabbalistischer, mystischer, technologischer oder eben künstlerischer Natur.
Beherzt wird brauchbare Information auf den ersten Blick verweigert. Besonders prägnant zeigt sich die Verweigerung bei der Betrachtung von Schriftblöcken und Schriftzeichen. Ob reproduziert oder handschriftlich anempfunden, kommt es hier zu gleichsam babylonischen Überlagerungen.
Die dichte Tektonik von Kalligrafie, Abbild, lesbarem Textfragment und Zeichnung scheint sich in einem allmählichen Prozess der Sedimentierung formiert zu haben. Allerdings legten sich die Schichten konsequenterweise zueinander, anstatt übereinander - dadurch von simultaner Sichtbarkeit und von einer Dynamik, als seien sie noch immer in Bewegung. Vielleicht erinnert Frank Eckhardts Methode gar an das mutwillige und respektlose, wenn auch stark verlangsamte, Schütteln von Splittern und gibt schliesslich den Blick frei in ein zeitloses, sich selbst erneuerndes Kaleidoskop irdischen Strebens.

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