2. Messe "Freie Szene im Russischen Pavillon

Alte Messe Leipzig, 3. September 2006


PRESSEARCHIV

© Leipziger Volkszeitung vom Montag, 4. September 2006

Lücken beim Schulterschluss

Großes Publikums-Interesse am Tag der Freien Szene auf der Alten Messe / Einige Macher fehlten


Goethe ist stinksauer. Friedrich Schiller hat gerade Charlotte Stein das Du offeriert, und Johann verführt die Eifersucht zum Gefühlsausbruch. Schauspielerin Claudia Roch fliegt von einer Rolle in die andere. Großes Amüsement im Erdgeschoss des Russischen Pavillons auf der Alten Messe - hier präsentierten sich gestern Protagonisten der Leipziger Off-Kultur, zusammengetrommelt von der IG Freie Szene.

Das Spazieren durch Etagen und Räume ist auch die Entdeckung eines brach liegenden Gebäudeteils auf dem Areal, das früher die Welt zu Gast hattte. Farbe blättert, Fliesen zeugen von ehemaligen Küchen, zerschlissener Teppich dämpft die Schritte auf den Quadratmetern, die sich unter anderem Werk II, Theater Titanick, Buchkinder, Kammerbühne, Lofft, Anker oder Theaterbaustelle mit Infoständen teilen. Es sind noch viele andere, aber bei weitem nicht alle. Selbst die Macher der Freien Szene können schwer einordnen, wo sie beginnt und wo sie aufhört.

Fest steht, dass der komplette Schulterschluss zwischen den Basiskulturellen fehlt. Weder die Schaubühne Lindenfels hat sich eingeklinkt, noch die naTo. Dabei hätte diese die zweite Messe der "Freien" gut als Forum nutzen können, um auf die Feinkost-Stiftung und Pläne für das Kulturzentrum an der Karl-Liebknecht-Straße aufmerksam zu machen. Zeitmangel? Selbst das Theatrium, das mitten in den Vorbereitungen zum zehnjährigen Bestehen und einer Premiere steckt, zeigt Präsenz. Mit-Initiator Thomas Kuhnert vom Theater Titanick bedauert das Fehlen einiger Größen - trotz abgeschickter Einladungen kam keine Reaktion. „Zwischen uns liegt keine Antipathie, aber offenbar fehlt bei einigen das Interesse, sich zu präsentieren."

Thema am Rande ist die jüngste Veröffentlichung der Ranking-Liste, in der die Stadt die Freie Kultur immerhin auf Rang drei platziert. "So lange sich das nicht im Stopp von Zuschuss-Kürzungen bemerkbar macht, haben wir davon herzlich wenig", betont Sheila Reimann (Theater Titanick). Dietmar Voigt, freier Schauspieler und Regisseur, hofft aber. "dass daraus eine bessere Absicherung der Szene folgt“. In einer Podiums-Diskussion gestern Nachmittag erläuterte Kulturbürgermeister Georg Girardet die Bedeutung der umstrittenen Hitparade: "Es dient als Grundlage für eine Diskussion im Stadtrat über die Entwicklung der Kultur in den nächsten zehn Jahren"

Das Publikums-Interesse am Präsentationstag ist groß Auf ein paar tausend schätzt die Gästezahl IG-Mitglied Jost Braun, auch Organisator der in die Schau integrierten Bildermesse „Richtig interessant“ findet Besucher Stefan Hertz aus Gohlis das Angebot. Darunter auch Exoten wie die Theatergruppe Ahnungslos, die in der Scheune Stötteritz mit psychisch Kranken Stücke erarbeitet und aufführt.

Das alles bekam auch OBM Burkhard Jung zu Gesicht, der sich Zeit nahm und von Thomas Kuhnert durch die Hallen führen ließ - durchaus ein Bekenntnis zur Off-Kultur, Über mangelndes Interesse auch aus dem Kulturamt kann sich die IG Freie Szene nicht beklagen. Verbesserungswürdig ist, wie Girardet bemerkt, „die Kommunikation untereinander, aber auch mit den Stadträten“. Die keimte vor ein paar Jahren und ging dann ein. "Es wird Zeit, das wieder aufzufrischen." Recht hat er.

Mark Daniel

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