leipzigart  KUNSTJOURNAL



Märchen vom guten Ende und der Tod als Ich-AG.
14. Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater in Leipzig - globus ‘05


14.09.05: Der Kartenvorverkauf hat begonnen

Im Abendprogramm des diesjährigen »14. Internationalen Festivals für Figuren-, Objekt-, und anderes Theater - globus ‘05« werden Produktionen vorgestellt, die sich alle auf distanziert-ironische, aber auch tief verwurzelte Weise mit den Absurditäten des Gegenwärtigen beschäftigen: surreal, kabarettistisch, satirisch, märchenhaft.

Den Auftakt bildet das Arche Theater (Divadlo Archa) aus Prag mit einer Inszenierung des international renommierten Künstlerpaares Frantisek Vitek und Vera Ricarova: die spannende und inzwischen legendäre Show unter dem lautmalerischen Titel Piskanderdula. Eigentlich ist Piskanderdula eine Begegnung mit verschiedenen Arten von Puppen und mechanischen Geräten. Doch es dauert nicht lange, dann wird man in den Bann eines magischen Spiels gezogen. Im fahlen Bühnenlicht entfalten sich Visionen, die Angstträumen eines Goya oder Kubin entwichen sein könnten. Das Duo aus der Marionettenhochburg Prag läßt die Puppen tanzen: das Medium Puppenspiel ist in die volle Autonomie erhoben - überwältigend surreal.

Am zweiten Festivalabend brillieren Cornelia Fritzsche mit ihrem Handpuppen-Kabarett »Kasper und die Ich-AG« und die fünf Musikanten der Tango-Klezmer-Walzer-Folk-Band »Knoten 46«. Hinter der frechen Fassade des klassischen Kasperletheaters mit derben Späßen und kräftigen Prügeleien liegt der Abgrund, die komplette Krise, die trostlose Gegenwart. Absurditäten wie die Umbenennung des Arbeitsamten von »Agentur« in »Jobcenter«, welche noch lange keine neuen Arbeitsplätze schafft, und Sinnlosigkeiten wie die »Pinkelsteuer« sind Zeichen für die Auflösung von gesellschaftlichen Werten und Sicherheiten. Vom Verlust der eigenen Identität sind alle betroffen: das Krokodil ist ein zahmer Vegetarier, der Teufel will nicht mehr böse sein, »Wer bin ich?« fragt sich der kopflose Polizist, der Tod hat das Sterben satt ... und überläßt Kasper seinen Job als Super-Idee: der Tod als Ich-AG.
Umrahmt wir das deftige Figurenspiel von melancholisch-optimistischen, rhythmisch-mitreißenden Liedern und Instrumentalstücken, gespielt im Quintett mit Tuba und Posaune, Klarinette, Akkordeon und Geige.

Zum Festivalfinale kommt ein schaurig-schönes Schauspiel mit Figuren für mutige Erwachsene. Drei frische Absolventinnen verschiedener Nationalität, soeben von der Berliner Theaterhochschule, Abteilung Puppenspielkunst, in das »richtige« Leben entlassen, zelebrieren ihr schönes böses »Märchen vom guten Ende«. Die Diplominszenierung unter der Regie des nicht nur in Leipzig bekannten und beliebten Figurentheater-Professors Hans Jochen Menzel zeigt uns, wie es im richtigen Leben eben ist - mit sieben gruseligen Märchen, die alle ein übles Ende haben.

Im Kinderprogramm geht es zwar nicht harmlos, aber etwas friedlicher und harmonischer zu: unter den diesjährigen Gästen ist das berühmte Figurentheater Margrit Gysin (Schweiz) mit der Inszenierung »Kemm hor. Zu Besuch bei Astrid Lindgren«, ein zauberhaft phantasievolles Erzähltheater mit Puppen und Requisiten, welche die Kinder und die kindlichen Seelen der Erwachsenen gleichsam in seinen Bann zieht. Das Theater im Globus (Berlin/Leipzig) ist noch kurz vor seiner Österreich-Italien-Tour mit vergnüglich-schönen, auf eigene Weise erzählten Märchenbearbeitungen nach Grimmschen Vorlagen dabei, die Kleine Bühne Naumburg mit einer originellen und sympathisch gespielten Geschichte um einen geklauten Käsekuchen.

Programm-Informationen und Kartenbestellungen: www.theatreart.de

zum Inhaltsverzeichnis

E-Mail an die Redaktion