leipzigart  KUNSTJOURNAL



globus '06 - 15. Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater
Das Jubiläum vom 1. bis zum 27. Oktober 2006

Glittra der Engel
Leipziger Erstaufführung der Koproduktion von TheaterFusion & TheaterGeist
am 26.Oktober in der naTo

Gibt es eigentlich Engel? Und, wenn es Engel gibt, gibt es dann Schutzengel? Sehen kann man die im Allgemeinen nicht. Aber, wer ganz leise ist, der kann ihr Summen beim Fliegen hören.
Zwei dieser eigentümlichen Wesen schwebten am Donnerstag in die naTo, um den vielen Kindern im Zuschauerraum von Glittra, dem Engel zu erzählen.
Mit blass geschminkten Gesichtern und gehüllt in weiße, skurril geschneiderte Stoffe, treten die Puppenspielerin Susanne Olbrich und die Schauspielerin Annegret Geist hinter einer kleinen Guckkastenpuppenbühne hervor.
An Details, wie Samtvorhang und Goldstuck, wurde nicht gespart. Alles ist bei der winzigen Barockbühne vorhanden, was auch bei einer großen Theaterbühne nicht fehlen darf - der Maßstab ist nur ein anderer. Der Vorhang öffnet sich und fingergroße Marionettenpuppen werden von den Spielern geführt, die mit ebenso viel Liebe angefertigt sind, wie die puppenhausähnliche Kulisse.
Darin springt der kleine Martin herum, der eine ganz besondere Vorliebe für alle denkbaren Schlüssel hat. Heimlich stibitzt, verschaffen sie ihm Zugang zu verbotenen und gefährlichen Orten. Martin wird immer forscher, denn das Abenteuer lockt, etwa beim Öffnen des Medizinschrankes. Seine Mutter ist mit den Nerven am Ende. "Dieser Junge! Wo bleibt denn sein schlechtes Gewissen?!" Das schlummert in Seelenruhe. Während Martins Schutzengel Glittra pausenlos in Alarmbereitschaft ist. Sie kann es sich gar nicht leisten mit anderen Schutzengeln in Quatschfalten zu versinken. Ständig muss sie ihn vor kleineren Katastrophen bewahren. Doch eines Nachmittags treibt es Martin zu weit: Er schwebt in Lebensgefahr, droht in der verschlossenen Garage an Abgasen zu ersticken. Im Zündschloss steckt der gestohlene Schlüssel ... Zum Glück ist Glittra in der Nähe und rettet den kleinen Martin noch rechtzeitig. Dafür zahlt sie einen hohen Preis: Sie muss sich verdichten und in Menschengestalt erscheinen, obwohl die Schutzengelbehörde es absolut untersagt, sichtbar zu werden. Als Engel ist sie nun untauglich, aber Hauptsache, Martins Leben ist gerettet.
Dem Stück liegt das Kinderbuch "Glittras Auftrag" von Peter Pohl zugrunde. Die Inszenierung wird der Geschichte in ganz reizender Weise gerecht und schafft mit souveränem Spiel, der bezaubernden Ausstattung von Peter Lutz und vor allem den wunderschönen Figuren der Puppenspielerin Susanne Olbrich modernes Theater für Kinder.
Die Marionetten sind so gearbeitet, dass sie Menschen aus unserer Zeit zeigen. Sie tragen Jeans und fahren mit winzigen Fahrrädern. Auch ihre Sprache ist natürlich und umgangssprachlich gehalten. Man erkennt in den Charakteren Bekannte aus dem wirklichen Leben wieder und bekommt die Realität im Kleinen vor Augen gehalten.
Neben dieser Spielebene mit den Marionetten öffnet sich durch das Auftreten von Handpuppen eine weitere Welt - das Netzwerk der Schutzengel. Diese unterstehen dem Herrscher der Unendlichkeit, der auch über das Gewissen wacht. Urkomisch ist dieses Gewissen als kleines Männchen, das keine Minute wach bleiben kann. Dieser Mini-Macho, wunderbar phlegmatisch sprechend, findet sein Kissen einfach so schön weich. Und schon ist Martins Gewissen wieder eingeschlafen.
Bereichert wird das Spiel außerdem durch diverse Geräusche und Laute, die mit dem Mund erzeugt werden, sowie eine kurzen Gesangeinlage.
Den Rahmen bilden die beiden großen Schutzengel, die häufig das Spiel unterbrechen und das Geschehen mit einem Augenzwinkern aus Engelssicht kommentieren.
TheaterFusion & TheaterGeist aus Berlin haben unter der Regie von Hans-Jochen Menzel eine zauberhafte Inszenierung erarbeitet, die nicht nur den Kindern gefallen hat. "Glittra der Engel" zeigt mit ausdrucksstarken Bildern auf kleiner Bühne ganz großes Theater mit Darstellern, die ihr Handwerk ausgezeichnet beherrschen.

Sarah Trilsch, 28.10.2006



Abbildung:
"Glittra der Engel"

zum Inhaltsverzeichnis