leipzigart  KUNSTJOURNAL


Installation Paulinerkirche vor realsozialistischer Unifassade in Leipzig zum Gedenken an die Sprengung der gotischen Universitätskirche im Jahr 1968 provoziert Streit

Am Ort des abgrundtief häßlichen Haupteingangs zur heutigen Universität Leipzig stand bis 1968 die kulturhistorisch wertvolle Universitätskirche, die Paulinerkirche. Ulbrichts Handlanger ließen die gut erhaltene Kirche gegen den heftigen Protest der Leipziger Bürger sprengen, um Platz für den Neubau der "sozialistischen" Karl-Marx-Universität zu schaffen. Auch das alte Universitätsgebäude wurde damals abgerissen, obgleich es nur leichte Kriegsschäden aufwies.

Die Kulturbarbaren der Leipziger SED zerstörten auch viele andere nach dem 2. Weltkrieg erhalten gebliebene oder nur leicht beschädigte Geschäftshäuser rund um den City-Ring in der Vorstellung, das neue Antlitz einer "sozialistischen" Großstadt schaffen zu können, während die reichen und weltbekannten Traditionen der alten Messestadt, die sich nicht zuletzt in den Messe- und Handelshäusern der Innenstadt niederschlugen, den geistigen Horizont der faschistoiden Bilderstürmer irritierten.

Am 30. Jahrestag der Sprengung der Leipziger Paulinerkirche, im Jahr 1998, errichtete der Leipziger Künstler Axel Guhlmann genau an der Position des ehemaligen Ostportals der Universitätskirche eine Stahlkonstruktion, welche die Proportionen der zerstörten Kirche nachbildet. Es sollte damit eine Besinnung auf die kulturelle Schandtat des SED-Regimes und eine Diskussion um die zukünftige Gestaltung dieses Ortes provoziert werden. Eine richtige Auseinandersetzung hat es aber bisher nicht gegeben. Möglicherweise plagt auch einige noch heute in Amt und Würden stehende Leipziger das schlechte Gewissen.

Jetzt, zwei Jahre nach der Errichtung der Installation, kommt vielleicht doch etwas Bewegung in die Sache...

 

Zitat aus der Leipziger Volkszeitung, 25. Mai 2000:

Kunstwerk bricht Streit vom Zaun

Soll sie nun stehen bleiben oder nicht? Im Streit um die Installation "Paulinerkirche" auf dem Augustusplatz liefern sich Universität und CDU-Fraktion heiße Diskussionen. Während die Uni für den Abbau zum 30. Mai plädiert, will die Stadtrats-CDU das Kunstwerk bis zum Umbau des Hauptgebäudes erhalten: "Die Kirche wurde am 30. Mai 1968 abgerissen. Ein Abbau der Installation am 32. Jahrestag symbolisiert quasi eine zweite Sprengung", sagt Fraktionsmitglied Christine Clauß.

"Es ging von Anfang an um ein zeitlich begrenztes Mahnmal", hält dem Rektor Volker Bigl dem entgegen. Man könne über den Aufschub verhandeln, wenn ein Konzept über Abbau und Finanzierung vorliege. "Schade ist, dass mittlerweile die kommerzielle Seite die politische Aufgabe des Kunstwerkes in den Hintergrund rückt", bedauert Bigl.

Was meinen die Studenten? "Schön ist es ja nun wirklich nicht. Der Bau verkörpert in meinen Augen keine Kirche", sagt Marco Polte (23), Soziologiestudent. "Es ist zwar hässlich, aber gerade deswegen sollte es als Mahnung stehen bleiben, damit endlich etwas mit dem Gebäude passiert, in dem auch der Studentenrat sitzt", meint Medizinstudentin Christine Happle (20). "Das Kunstwerk hat an den Abriss der UniKirche erinnert und somit seinen Zweck erfüllt. Dennoch plädiere für den Erhalt", sagt Marco Schmidt (21), Biologie-Deutsch-Student.

Philipp Motloch

 

Lesen Sie dazu einen älteren Beitrag des leipzigart KUNSTJOURNALS zur Installation Paulinerkirche

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