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Out of Focus, bitte

Retrospektive des britischen Photokünstlers John Hilliard im KunstHaus Dresden, Städtische Galerie für Gegenwartskunst

 

Und also fragte der Weise seine Schüler: »Muß das Medium Photographie unvermeidlich "transparent" sein, oder kann dem Blick durch die Oberfläche hindurch Einhalt geboten werden durch sinnvollen Einsatz ihrer eigenen Qualitäten (so daß die Photographie sowohl als Informationsträger wie auch als Objekt wahrgenommen werden und ihre voyeuristische Funktion verlagert werden kann)?« (aus: John Hilliard, Die Pornographie der Kunst. Eine Vorlesung für Studienanfänger, 1981)

Und sein eigenes Werk gibt die Antwort: »765 Paper Balls« (1969) stehen ewig eingefroren in der Luft, die »Photostairs« (1970) existieren so nur, weil die Stufen mit Abbildern ihrer selbst tapeziert wurden. Das Medium Photographie, so wie es John Hilliard (*1945, Lancaster) schon zeitig begriff, ist Ursache und Existenzgrund seiner Arbeiten. Das Bild per se erhält keine Privilegien.

Als der studierte Bildhauer in den späten 60ern zur Kamera griff, arbeitete er zunächst akribisch an einer praktischen Definition der Photographie. Die oft seriellen Arbeiten jener Tage testen die Grenzen des photographisch Machbaren aus und transzendieren Sichtbarkeit. »60 Seconds of Light« (1970), eine Sequenz von 12 Bildern, zeigt das gleiche geschwärzte Ziffernblatt der Sekundenuhr bei zunehmender Belichtungsdauer verblassend - das Licht, das hier untersucht und verwendet wird, trägt zur Auflösung des Bildes bei. Im Verlauf der retrospektiv angelegten Ausstellung werden Studien mit Licht, mit Bewegung und Fokusierung, mit Bildraum und Reflexion gezeigt. Die Abgrenzung dieser frühen Experimente von voyeuristischer und von Dokumentarphotographie war geglückt!

So nahe sich Hilliard den analytischen Ideen des Konzeptualismus oder Minimalismus fühlte, so wenig mochte er vom Erzählen zu lassen, bis heute. Ob er Spiegelungen einsetzt, um seinen Kompositionen mehrere Schichten zu geben, ob er die klassische Malerei auf Motive durchsucht oder ob er die Mitte des Bildes (wie im Falle der »Miss Tracy« recht heilsam) verschleiert - stets herrscht ein sehr persönliches Zusammenspiel von Analyse und Story. Und selbst wenn das wie in den gigantischen Dreifachbelichtungen vom Anfang der 90er ein wenig erzwungen wirkt, so überzeugt der Professor der Londoner Slade School mit nimmermüder produktiver Selbstbefragung und Suche. Das KunstHaus fordert auf zu einer idealen Wanderung durch eine biographische Landschaft - mit offenem Ausgang.

Susanne Altmann

Bis zum 22.8., sehr umfangreicher monographischer Katalog zu dieser Wanderausstellung mit 1.Station im KunstHaus

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