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Tiefensee grinsend zwischen Olympia und Kultur – neuer Zoff um den Wiederaufbau der Paulinerkirche in Leipzigs Innenstadt

Während Dresdens Stadtsilhouette mit der im Wiederaufbau befindlichen Frauenkirche alten Stolz und neue Schönheit gewinnt, eiern die Leipziger Stadtverwalter noch immer mit der Frage um den Wiederaufbau der in pseudokommunistisch-kulturlosen Zeiten barbarisch und gegen den Willen der öffentlich protestierenden Leipziger zerstörten Paulinerkirche herum.



Mit Kulturgeschichte und -gegenwart hat der sportbesessene Oberbürgermeister Leipzigs offesichtlich nicht viel am Hut - kürzlich kippte er undemokratisch einen Architektur-Entwurf für das Unigelände, der den Neuaufbau der alten Universitätskirche integriert

Leipzigs Oberbürgermeister, der am 5.Februar 2004 zum 'Rundgang' in der Hochschule für Grafik und Buchkunst selbstgefällig durch die Ateliers schritt und sich vom neuen Rektor die Exponate erklären ließ, nachdem er ein paar nette Allgemeinplätze über den kurzen Weg vom Rathaus zur Kunsthochschule und die Kunst als wichtige Ergänzung des ansonsten pragmatischen Daseins losgelassen hatte, wurde jetzt massiv vom Paulinerverein wegen seiner Maniupulation der Jury für die Neugestaltung des Universitätsgeländes am Augustusplatz angegriffen.
Anlaß für den Unmut ist Tiefensees Einlassung vor der Abstimmung der Jury während ihrer Beratung am 13. Januar 2004. Tiefensee hätte erklärt, daß eine Rekonstruktion der Paulinerkirche (Universitätskirche) nicht gewollt sei und darüber Einigkeit zwischen Stadt, Staatsregierung und Universität bestehe. Matthias Rößler, Sachsens Minister für Wissenschaft und Kunst, bestätigte, daß Tiefensee diese Äußerung gemacht habe. Er habe aber Herrn Tiefensee widersprochen, weil es eine solche Absprache definitiv nicht gäbe.

Wegen der Verletzung des Demokratieprinzips durch Tiefensee sieht der Paulinerverein keine andere Chance mehr, als in die Öffentlichkeit zu gehen. Als Grund für den Vertrauensbruch nennt Dr. Jutta Schrödl, Sprecherin des Paulinervereins, nicht nur die Einlassung des Oberbürgermeisters vor der Jurysitzung, sondern auch die vier noch im Rennen befindlichen Entwürfe: »Was in der engeren Auswahl ist, ist kaum besser als das, was der erste Wettbewerb hervorbrachte. Architekt Kulka baut in Beton und lässt die Roßbach'sche Fassade geritzt in Glas sichtbar werden. Merz bietet Fronten, die gerade am Markt abgerissen wurden. Behet und Bondzio verkleiden ihren Gasherd mit Marmor und bieten die Erinnerung in einem so genannten Negativraum. Nur Egeraats Entwurf nimmt die Kirche architektonisch interessant auf.« Der Paulinerverein fordert deshalb die Wiedereinbringung der gerade durchgefallenen Entwürfe von Kollhoff und Bofinger in den Wettbewerb, »weil sie die Wiedererrichtung von St. Pauli vorsehen«.

Der Verein erinnert in der Erklärung zudem an bisherige Leipziger Bausünden: »Ebenso wie das missglückte Bildermuseum, das eher an das Turbinenhaus eines Kraftwerkes als an einen Hort der Kunst gemahnt, oder wie das bereits bestehende verfehlte Ensemble auf dem Augustusplatz soll Leipzig eine Universitätsarchitektur bekommen, in der Phantasielosigkeit dominiert und Geschichtsvergessenheit zum Ordnungsprinzip erhoben wird.«

Das ruft nun auch Leipzigs Ehrenbürger Erich Loest auf den Plan: »Atheisten kämpften in vergangenen Jahrhunderten gegen die Ubermacht des Papstes und schufen Freiraum für die Aufklärung. Dennoch bleiben christliche Werte für unser Leben bestimmend. Sollte beim Neubau der Universität nicht deutlich und für Jahrhunderte sichtbar an die Paulinerkirche und ihre Zerstörung erinnert werden, käme das für mich einer zweiten Sprengung gleich.« Und Paulinervereins Chef Günter Blobel gab aus dem fernen New York vor, was nun zu tun sei: »Kämpfen!«


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